Foto: Luca Maximilian Kunze
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Zu Gast im März

18-03 | Fabian Hartmann

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Zu Gast im Mai

17-05 | Philipp Röding

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die stadt ist voller schießbuden. läden schließen nicht mehr. ich trage handschuhe und setze mich auf meine hände. ein mann läuft an mir vorbei, trägt einen ausgestopften fuchs vor der brust. augen, zunge. vielleicht ein hauptgewinn.

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ich liege auf der mezzanine und komme nicht mehr runter. neben mir liegt alles kreuz und quer, wie ein mageninhalt, bücher, stifte, vor allem tassen mit kalt gewordenem. die heizungsluft fährt etage für etage zu mir nach oben, legt sich dazu wie ein schwerer, schlafender körper, den ich nicht aus dem bett rollen kann. also lasse ich ihn kalt werden. oder schlafe selbst. ein zahnarzt hat einen sauger in meinem mund vergessen. er zieht jeglichen speichel, bis ihn jemand vermisst.

 

nach einer woche wasche ich. sehe die katze wieder. sie sitzt auf der mauer, starrt die wäsche trocken.

 

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die moskitos sind zu motten geworden. sie sitzen auf den lichtschaltern und warten. dennoch betrachte ich die waschmaschine als neues haustier. ich sitze neben ihr, wringe für sie socken aus, handtücher. die wohnung tropft. in meinem bauch schwappt es.

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wir gehen weg. ein rockclub, von den wänden bröckelt seifenwerbung, eine graue katze. wo nichts bröckelt, hängen autoteile. hinter der bar klebt ein schild: man spricht deutsch. darunter: ach so … . alle tragen jeans. als erstes tanzen die hunde. der schlagzeuger ein cocker spaniel, ein anderer verschwindet ewig auf der stehtoilette. die barfrau trägt haare und jeans sehr hoch, sagt ein glas weißwein und bitteschön.

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als ich die tür zur straße öffnen will, plätschert es durch den türschlitz. auf dem boden liegen prospekte. die pisse fährt über die äpfel, den käse, den fisch und legt sich dazu. ich mache die tür auf, der türrahmen verreibt die pisse. als ich wieder nach hause komme, haben die prospekte wellen. ein paar tage später sind sie weg.

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wir sitzen an einem ausgezogenen tisch. alle schmieren sich avocado auf ihr stückchen baguette, picken oliven. ein französischer film mit englischen untertiteln. die italienerin sagt: you can find some appartments here, which have 11 square metres. the people must have catheters instead of bathrooms.

 

ich fahre zum ersten mal mit einem nachtbus. es gibt nur einen nachtbus. und einen nachtbusfahrer. er fährt ab 20 uhr im kreis. wer jetzt nach hause kommt, riecht verbrannt. der rest nach fleur d’oranger.

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die katze jagt das laub. das laub jagt die katze. sie kommt jetzt regelmäßig. sitzt unter der frischen wäsche, beißt ins handtuch, putzt sich, leckt eiscreme von ihren pfoten. ich gehe jetzt regelmäßig raus.

 

in den metroschächten riecht es nach streichholz. die metro wird kurz angezündet, kurz ausgeblasen, glimmt um die ecke. ich sitze als einzige in einem waggon, fahre maximal fünf stationen. an manchen gleisen warten aquarien. ich nehme die treppen zum alten hafen, der regen weht mir den fisch entgegen. jemand rotzt.

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am alten hafen haben sie einen weihnachtsmarkt aufgebaut. es gibt zuckerwatte, barbe à papa, und ein riesenrad. hinter dem rücken der stände stehen fischer und ihre fische. beide leben noch. die einen werden live mit einer schere ausgehöhlt, die anderen schneidet der wind. in einer karaffe schwappt wasser, grenadinerot.

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