Foto: Luca Maximilian Kunze
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Der Blick aufs Meer II

Ich ging dann doch nochmal zurück zum Meer, an den vielen blauen und weißen Zelten vorbei. Vor jedem Zelt saßen die Leute herum und warteten, aber nie kam jemand. Wozu warteten sie eigentlich.
Ich stellte mich an den Strand und überlegte, einfach so lange zu schauen bis ich Lena sehen würde. Ich stemmte die Beine in den Boden und machte die Hände auf die Hüften, denn so machen das Menschen, die Ausschau halten. Das Meer war ganz groß und weit, in alle Richtungen ging es. Fast war es, als könnte ich nicht schnell genug schauen und das Meer war schneller und war schon da. Es war ohne Ende, blau, blau, blau, jedes Blau aus dem Malkasten war da. Es war gut, dass auf kein Blau vergessen worden war, aber wo war Lena?
Große Meere heißen Ozeane, hatte mir Lena bei der Bootsfahrt erzählt. Dabei bin ich zwischen ihren Beinen gesessen und habe mich an sie gelehnt, das hat mir gefallen. Die Welt besteht aus drei großen Ozeanen, die machen zwei Drittel der Erdoberfläche aus. Was Drittel sind, hat mir Lena auch erklärt, eigentlich ist es ganz leicht. Es ist so: Wenn die Nachbarin daheim sich wieder die ganze Nacht mit ihrem Mann gestritten hat und ihr das am nächsten Tag peinlich ist, weil sie sich versöhnt haben, dann gibt sie uns drei Stück Kuchen. Eins für den Papa, eins für Lena und eins für mich. Die Mama bekommt nie eins, weil sie kein weißes Mehl essen kann und die Nachbarin ihren Kuchen aber immer mit weißem Mehl macht, weil es auch nur das Mehl gibt. Lena und ich bekommen also zwei Stück Kuchen von insgesamt drei, das sind zwei Drittel. Ganz einfach ist das.
Die Sonne brannte heiß und meine Schultern und mein Gesicht begannen zu jucken. Man soll sich nicht kratzen, davon wird es nur schlimmer. Eigentlich würde ich gerne zum Wasserhahn gehen und meinen Kopf darunter halten. Ich schaue aber weiter aufs Meer und überlege, wenn das Meer so groß ist und die Lena darin, wie soll ich sie dann finden überhaupt. Und bevor ich Angst bekommen konnte, dass sie für immer weg war und ich hier alleine bleibe, sah ich sie endlich. Sie saß ganz links am Strand, ihre Füße waren im Sand vergraben. Fast bekam ich das Gefühl, dass sie sich versteckt hatte. Ich bin zu ihr hin und stellte mich vor sie.
Lena, hab ich gesagt, wir müssen zurück.
Nein.
Ja, und was sollen wir sonst machen.
Weiß nicht, was anderes halt.
Sie saß da, als hätte jemand die Luft aus ihr rausgelassen, traurig irgendwie. Warum war sie traurig, fragte ich mich, wir waren doch gemeinsam am Meer und konnten jeden Tag schwimmen gehen. Aber fragen wollte ich Lena nicht, manchmal wurde sie wütend und ich wollte sie nicht wütend machen. Ich setzte mich neben sie und schaute auch aufs Meer, das schien mir richtig zu sein. Es war schön zusammen zu sitzen, einfach so, ohne zu sprechen. Ganz wie Erwachsene, die ernsthaft sind und zusammen schweigen, weil alles schon gesagt wurde. Aus dem Augenwinkel blinzelte ich hoch zu Lena, nur so aus Sicherheit, um zu sehen, ob sie nicht doch was sagen wollte. Aber sie hatte den Mund zu und die Stirn gerunzelt.
Dann irgendwann sind wir doch zurückgegangen. Lena stand von einem Moment auf den anderen auf, klopfte sich den Sand ab und ging los. Kurz war ich ganz verwundert, dass sie aus ihrer Bewegungslosigkeit entstarrt war. Kann man das so sagen eigentlich? Jedenfalls ging sie los und ich bin dann hinterher.

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