Foto: Luca Maximilian Kunze
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Fürchte dich vor fremden Frauen II

Ich wachte auf, weil ich Schmerzen im Gesicht hatte. Als ich die Augen öffnete, sah ich Laura über mir und spürte kurz darauf eine saftige Ohrfeige, dass mir die Löffel wegflogen.
„Bin ich tot“, fragte ich.
„Red keinen Unsinn“, erwiderte sie, „könntest du reden, wenn du tot wärst?“
Ich richtete mich auf, mein Schädel brummte, mir war übel. „Was ist passiert“, fragte ich.
„Du Idiot hast das Seil nicht am Ast festgebunden“, antwortete sie und reichte mir wortlos eine Flasche selbstgebrannten Schnaps, den sie aus Vaters Versteck entwendet hatte.
Auf dem Weg nach Hause tranken sie gut die halbe Flasche leer. „Fürchte dich vor Frauen aus dem Osten“, sagte sie damals zu mir, „bei denen weiß man nie!“
Ich verstand nicht. „Ich liebe sie doch“, heulte ich verzweifelt. Laura war schon ein wenig angetrunken und legte mir den Arm um die Schulter. „Diese Mädchen, da musst du aufpassen, die will dich nur ausnehmen, die sind alle gleich!“
Ich erkannte also die Wahrheit. Ob es die frische Luft war, die leichte Gehirnerschütterung oder der Alkohol, konnte ich eigentlich nicht sagen, aber ich erkannte, dass fremde Frauen gefährlich waren (vor allem die aus dem Osten). Ich erkannte auch, dass Lydia nicht meine große Liebe sein konnte. Wahrscheinlich hatte sie sogar Mundgeruch und war auch ein bisschen blöd, weil sie ständig lachte, dämmerte mir da.

Mir war schlecht und heiß. Zuhause wurden wir vom schreienden Vater empfangen. Lydia hatte nicht nur Mundgeruch, sie hatte mich auch noch verpetzt. Während Vater mich mit dem Gürtel durch die Wohnung jagte und drohte, mich umzubringen, was einer gewissen Ironie nicht entbehrte, schwitzte ich die letzten Reste meiner Liebe aus dem System. Ich lief durch die Wohnung, versuchte mich nicht von Vater erwischen zu lassen und dachte über den Sinn des Lebens nach. Ich hatte meine Lektion gelernt: verlieb dich nicht in fremde Frauen, das macht nur Ärger. Eine Lektion, die sich hinter die zahlreichen anderen reihen sollte.
Nachdem Vater müde geworden war und sich zur Erholung auf die Couch setze, ging ich mit Laura auf den Balkon hinaus, um die verdammte Liebespoesie zu verbrennen.
„Ich danke dir, dass du mir in dieser dunklen Stunde beistehst“, sagte ich zu ihr.
„Sei nicht so melodramatisch“, antwortete sie und warf ein Zündholz in die losen Blätter.
Ich stützte mich auf das Gelände und starrte hinunter auf den Parkplatz vor dem Haus.
Sollte das wirklich alles gewesen sein, fragte ich mich.
Schweigend stand sie daneben, während meine poetischen Ambitionen in Flammen aufgingen. Das Tageshoroskop empfahl den Verzehr von Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten, las ich eine Woche später in einer Frauenzeitschrift auf Mutters Nachttisch.

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