Foto: Luca Maximilian Kunze
Foto: Luca Maximilian Kunze

Zu Gast im März

18-03 | Fabian Hartmann

> zur Biografie

> zum online-KLISCHEE

Zu Gast im Mai

17-05 | Philipp Röding

> zur Biografie

> zum online-KLISCHEE

1003

Das Ende des Sommers III

Am Meer war es dann schön. Eintönig, aber schön. Sogar Laura gestand es ein, was Mutter irrational glücklich machte. Überhaupt war sie und auch Vater gut gelaunt. Sie zeigten es dabei auf unterschiedliche Weise. Mutter stand früh auf und lief quer durch das Dorf, um frisches Brot zu kaufen, dieses ganz weiße, an dem man ewig essen kann, ohne jemals satt zu werden. Danach machte sie beschwingt Frühstück und trieb uns anschließend wie eine Herde Schafe vor sich her an den Strand. Sie bräunte sich lang und stand nur auf, um ihre ewigen Sonnenbrände bei weiten Runden im Meer abzukühlen.
Vater hingegen drosselte sein Tempo zu unendlicher Langsamkeit. Er trank viel und gern Kaffee und kam Stunden später an, sogar seine ledernen Strandschuhe knarrten extra laut, als würden sie von der vielen Gemächlichkeit ächzen. Er legte sich in den Schatten und schlief ein, stand erst wieder auf, wenn wir heimgingen.
Doch das stimmt nicht.
Einmal stand er doch auf. Da ging er bis zur Wasserlinie und stellte sich in die Sonne, um sich aufheizen zu lassen. Dabei stemmte er die Hände in die Hüften und es störte ihn nicht, dass sein Bauch über die kleine Badehose hing. Er war hier der Kapitän. Nach fünf Minuten machte er sich auf den Rückweg in den Schatten um den restlichen Tag zu verschlafen. Er kam bei Mutter vorbei, blieb bei ihr stehen, beugte sich runter und küsste sie auf den Kopf. Jeden Tag machte er das.
Jahre später erinnerte ich mich an diesen Sommer, wie ich ganz weiche Hände vom vielen Wixen hatte und wie Vater aus dem Schatten kam, um Mutter in der Sonne zu küssen. Wie mich das damals unheimlich beruhigte, ohne dass ich es merkte. Ich erinnerte mich daran, weil sich Vater und Mutter am vorletzten Urlaubstag trennten und es niemandem sagten. Wir verbrachten auch die letzte Zeit am Meer schön und eintönig und gemeinsam.
Dann fuhren wir heim. Mittlerweile wollte ich kein Bildhauer mehr werden, sondern nur noch breite Schultern und dicke Arme haben. Wir kamen in der rußigen Wohnung an, es roch nach Asche und verbranntem Plastik. Vater trug unsere Sachen hinauf und stellte sie im Wohnzimmer ab. Dann küsste er ein letztes Mal Mutter, strich Laura und mir über den Kopf und ging. Er kam nicht wieder. Und dann fing der Herbst an.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0