Foto: Luca Maximilian Kunze
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Noch einmal liest Jeanne den Brief, den sie im Zellenbau entdeckt und abfotografiert hat.


IST

BEGNADIGT

WORDEN!!!


Du mein Liebstes, meine Kameradin! - wir sind uns wiedergegeben!!!

Heute. Etwa um 1 ½ Uhr wurde ich zum Herr Vorsteher beordert, wo mir zwei Herren der Justiz die Freude aller Freuden brachten!!! (unleserlich) es ist „ NUR“ ein weisser Briefbogen – mit 10 Zeilen - und 4 enthält unser ganzes Glück!!! Durch den Führer u. sein ermächtigter Herr Reichsminister bin ich zu 10 Jahren Zuchthaus begnadigt worden!!! Und ich weiß vor Freude nicht was tun noch sagen!


Jeanne hört auf zu lesen und steckt ihr Handy zurück in die Hosentasche. Nein, mit der Vergangenheit in Kontakt zu treten, wird heute nichts, gesteht sie sich ein, vor allem nicht nach diesem Brief. Da schreibt doch dieser Mann tatsächlich, dass er glücklich über 10 Jahre Zuchthaus ist. Wenn er das bereits als Segen empfindet, wie muss es erst im KZ gewesen sein? Jean hat die Grenzen ihrer Vorstellungskraft erreicht. Nein, irgendwie passt das alles nicht zusammen. Dieser Brief und dann diese mit Wachtürmen und Mauern umzäunte Brache, über die buchstäblich Gras gewachsen ist. Sieh sich das einer an! Jean lässt ihren Blick schweifen, langsam, von links nach rechts, über diese schöne Wiese, die unter strahlendem Sonnenschein schimmert. In der Mitte steht sogar ein großer Baum und unter dem Baum –

Und auf einmal wäre ihr danach, diesen Moment zu filmen. Der Moment, in dem eine Frau mittleren Alters auf einem Gedenkstein sitzt und mit aufmerksamer Miene einer neben ihr befindlichen, kleinen Greisin zugewandt ist. Und das alles unter diesem Baum. Jetzt ist sie plötzlich da, diese Nähe zu damals.

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