Foto: Luca Maximilian Kunze
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Wie feige diese Frau ist, denkt Scheel, wenn man keine Argumente mehr hat, sich einfach dem Gespräch zu entziehen. Das ist charakterlos, aber auch typisch für die mitlaufenden Gedenkwahnsinnigen. Da sagt sie doch, sie hätte nie von einem Sich-schuldig-fühlen-müssen gesprochen, und faselt dann gleich im nächsten Satz von historischer Schuld. Thaha, es tut ihm ja leid, aber das ist einfach nur noch Comedy pur, ohne Worte. Wenn die Keblatt wenigstens die Courage gehabt hätte, die Diskussion zu Ende zu führen, wäre sie mal in den Genuss gekommen, mit ein paar Fakten konfrontiert zu werden. Die Deutschen sollen also gedenken und sich schuldig fühlen? So so. Und was ist mit den Amerikanern und ihren Indianermorden, ihrer Sklaverei, ihren Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki oder dem Vietnamkrieg? Oder der Kirche und ihren Kreuzzügen und Hexenverbrennungen? Wo bleibt da bei denen das Erinnerungsdrama? Ist vom Erinnern eigentlich irgendwer schon lebendig geworden oder warum sind alle so scharf darauf?

Dieses Land buckelt vor der Welt, ohne dass es jemanden interessieren würde, dass es genug andere Staaten und Institutionen gibt, die weitaus Schrecklicheres getan haben und weiterhin tun (nicht, dass Scheel die Geschehnisse im 2. Weltkrieg verharmlosen will). Auf die sollte mit dem Finger gezeigt werden.

Mit Missbilligung beobachtet Scheel die Schüler, die sich die Überreste der Verbrennungsöfen anschauen müssen. Er fragt sich, was die Kinder davon haben. Entweder es interessiert sie einen Scheiß, was er verstehen kann, oder es verstört sie zutiefst, was er auch verstehen kann. Ob nun so oder so: Es schreit einfach zum Himmel, dass die Kinder für den Extremismus der Erinnerungsfanatiker herhalten müssen. Ja, ohne Frage: Extremismus ist ein großes Wort. Aber nichts anderes sind Keblatt und die ganze erbärmliche Gutmenschenbagage: Extremisten.

Mit ihrem Nazihass und ihrer Judenliebe sind sie unfähig, in andere Himmelsrichtungen zu schauen. Was hat die U.S.A. nicht bereits alles unter dem Deckmantel der Freiheit getan? Überall angebliche Anti-Terror-Kriege, die lediglich den niederträchtigen Zweck verschleiern sollen, fremde Ressourcen unter die eigene Kontrolle zu bekommen. Und wie gut, dass man 9/11, wann immer Bedarf besteht, heranziehen kann.

Scheel wartet nur auf ein 9/11 hier in Deutschland, das alle keifenden Moralisten in einen Krieg führt. Natürlich nur zum Schutz der Freiheit und der Demokratie. Wie Köter werden sie dem Pfiff folgen, denn sie alle, ob sie nun Keblatt heißen oder Mustermann, sind ja durch und durch aufrechte Bürger.

Da spricht sicher nur die Paranoia aus Scheel, klar. Aber andere große Denker waren zu ihrer Zeit auch nur Ketzer; bis sich schließlich viel später herausstellte, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist und auch keine Scheibe. Was zuvor über Jahrhunderte und Jahrtausende von Millionen von Menschen für wahr gehalten wurde, hat stets ein einzelner gewagt zu hinterfragen und zu widerlegen. All das hat die Geschichte der Gesellschaft gezeigt. Und doch: Warum erinnert niemand daran? Warum wird nicht daran erinnert, dass ein einzelner Querdenker die Welt verändern kann?

Es ist doch so: Wenn sich eins in der Geschichte unaufhörlich wiederholt, dann ist es zum einen der Krieg und zum anderen die Unterjochung Andersdenkender. Unbeachtet bleibt derweil, des Wertes der Revolutionäre zu gedenken. Scheel sieht jedenfalls nirgends immer wiederkehrende und tausendfach gezeigte Kranzniederlegungen für Galilei, der, nebenbei bemerkt, die ganze Welt verändert hat, indem er nicht dem Mainstream gefolgt ist. Für Scheel ist eine Uschi wie die Keblatt nichts weiter als eine manipulierte Dummbürgerin, Uni-Abschluss hin oder her. Denn zu logischen, neutralen Denkprozessen ist die blöde Kuh doch gar nicht mehr fähig.

Scheel hat keinen Bock mehr, noch länger vor den mickrigen Überbleibseln der Verbrennungsöfen rumzustehen und so zu tun, als fände er das ganze Theater hier nicht vollkommen lächerlich. So macht er sich aus dem Staub, damit auch die anderen merken, dass der Tag nur vierundzwanzig Stunden hat, und seinem Beispiel folgen. Als er an dem Erschießungsgraben vorbei geht, hört er zwei Frauen hinter sich von Zeitzeugeninterviews quatschen. Ohne Pause müssen sie sich gegenseitig versichern, wie schlimm und erschütternd alles gewesen ist. Scheel kommt diese Faszination für das Grauenerregende geradezu pervers vor. Wenn man dauernd hinschauen und sich damit beschäftigen muss, warum geht man nicht gleich in ein Seniorenheim und schaut alten Leuten beim Verrecken zu? Oder wäre das den Weibern hinter ihm wieder zu nahe, zuviel Gegenwart? Ach, ist das eine kranke Welt, in der Scheel lebt. Er schaut auf die Uhr. Noch vier Stunden. Er kriegt die Krise.

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