Foto: Luca Maximilian Kunze
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Die Städte wurden schöner…

– Stefan Zweig, Die Welt von Gestern


Zwischen der Ada Ciganlija, der großen Flussinsel, und der Branko-Brücke, sage ich zu ihr, gäbe es einige nette Restaurants, in denen man günstig Fischsuppe zu sich nehmen und die alten Hafengebäude bewundern könne. Es ist ein Versprechen, das ich ihr gebe. Das Versprechen eines Ortes in absolutem Stillstand. Etwas Uneinholbares, ein Versteck, nur für sie und mich. Als wir dort ankommen, dort, wo früher die verfallenen Fabrikgebäude und Hafenanlagen gestanden haben, die alten Restaurants und Bars von außen ein gelblich warmes Licht auf den Gehsteig warfen, die Personen im Inneren als Schattenspiele für die Passanten ihre einstige Erfüllung fanden; dort, am Scheideweg, wo der alte Kai aufhörte und die Roma-Slums Belgrads anfingen, nicht einmal einen kurzen Blick von hier entfernt, hier, wo wir jetzt stehen und es schon zu spät ist. Es ist nichts mehr da. Vor einem Jahr kündigten sie den Bau einer neuen Skyline für Belgrad an. Niemand hatte daran geglaubt, am wenigsten ich. Sie fragt mich, was mit mir los sei? Ich bleibe stumm und fixiere den Punkt, an dem früher das Restaurant gelegen hat. Eine riesige Fläche hat sich aufgetan. Nur eine einsame Planierraupe und ein Bagger stehen drauf. Eine Steppe, die wer-weiß-wie-viele Stadien misst. Hier stand, sage ich leise zu ihr, früher mal ein Viertel von der Größe Salzburgs. Sie verstummt und starrt mit mir in den leeren Raum, der sich irgendwann mal zwischen diesem und dem letzten Sommer aufgetan hat. Kein Mensch zu sehen. Auch das Roma-Viertel ist weg. Tausende von Menschen zwangsumgesiedelt. Ein Schauer befällt mich und wir gehen stumm neben einander weiter. Zahllose Gedanken durqueren meinen Kopf. Sie versucht, mich aufzumuntern, sagt, es gebe immerhin noch die vielen Fischer am Kai, die diesem Bild vom alten Belgrad entsprächen. Ich schaue auf, lächele und drehe mich zu ihr. Ohne ihr zu sagen, dass der Umriss, auf den sie im Dunkeln deutete, nur die Bronzefigur eines Fischers sei, drehen wir uns um und gehen nach Hause.

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