Foto: Luca Maximilian Kunze
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Sage mir o mein Bruder mein Mensch: wer wer von den beiden bist du?!

– Johannes R. Becher, Mensch stehe auf


Mein Bruder ist heute Morgen angekommen. Wir haben uns nicht viel zu sagen. Seit wir beide weggezogen sind, haben Floskeln und Phrasen einen sonderbaren Keil zwischen uns getrieben. Meine Mutter ist glücklich, die beiden Söhne wieder im Haus zu haben. Wir sitzen alle am Tisch und schlürfen schweigend unsere Suppe. Auch sie ist da, schweigt mit. Vergleicht im Kopf die Tischsituation, wenn wir bei ihren Eltern zu Hause sind. Das Geplapper und Gekicher. Die vielen Gespräche und die Lebendigkeit. Mein Bruder schaut kurz auf, fragt, wie es in Salzburg sei und ob ich seine alten Freunde irgendwo in der Stadt gesehen habe. Ich verneine. Dann senken wir wieder unsere Köpfe und schweigen weiter. Sie vergleicht abermals. Das bemerke ich am starren Blick, der eine unscheinbare Falte über ihrem rechten Auge geworfen hat. Unterm Tisch nehme ich ihre Hand. Sie schaut mich kurz an, lächelt und widmet sich gleich wieder ihrer Suppe. Ich betrachte das Tattoo meines Bruders an seinem linken Arm, das meinen Namen trägt und schmunzle. Er schaut kurz auf, unsere Blicke treffen sich. Er fragt, was es da zu glotzen gibt. Ich lache kurz auf, meine Mutter lacht kurz auf, mein Bruder auch, und sie, sie lacht auch kurz auf. Meine Mutter ist glücklich, die beiden Söhne wieder im Haus zu haben.

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