Foto: Luca Maximilian Kunze
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0613

Kleine Wände und ihre langsamen Sollbruchstellen.

 

„Du lächelst so selten.“ sagt er. Ja. Ich streife die Wände entlang – lese Noch einen Moment diese Leere halten, bevor dann etwas Neues beginnt. Heute ist Tageslicht. Heute gibt es keine Scheinwerfer, obgleich jeder Tag sich nach Scheinwerfern anfühlt, nach Begleitmusik und einer Erzählstimme und ob man mich vielleicht für wahnsinnig hält oder wahnsinnig narzisstisch wenn ich meine Tage mit Scheinwerferlicht und Erzählstimme beginne. Sie notiert: Übertriebenes Selbstbewusstsein oder Größenwahn. Frau Doktor – sie macht so gerne Notizen aber erzählen möchte sie nichts – vom schönen Leben. Ideenflucht oder subjektives Gefühl, dass die Gedanken rasen. Irgendwann nach einer schlaflosen Nacht – ja – wir sind den Raum entlang gelaufen, immer und immer wieder – haben die Papierstreifen positioniert aber es war wie eine Art Gefangennahme, stehe ich zwischen der Wolke aus Ich und das Ich ist nur durch diese Trennung des Ich vom Ich möglich und der Rahmen springt. Ich frage mich, woher du das wissen willst – woher wissen Sie, dass ich nur selten lächle und dass ich mich vielleicht nur als einen Menschen inszeniere, der selten lächelt – darüber denkst du nicht nach. Verminderte Fähigkeit, zu denken oder sich zu konzentrieren, oder Entscheidungsunfähigkeit beinahe jeden Tag. Langsam wird der Raum betreten und diese betretene Stille tritt ein, dieser erwartungsvolle Moment, dass sich in mir etwas regt, dass ich auf die Dinge reagiere – die Dinge, die Welt – du willst doch ins Licht geworfen werden. Gefühl der Wertlosigkeit oder ausgeprägte und unangemessene Schuldgefühle (die auch wahnhaft sein können), beinahe jeden Tag (nicht nur Selbstvorwurf oder Schuldgefühle, weil man krank ist).Sie streifen die Wände entlang – ich habe mir einen ganzen Raum gebaut, meinen Innenraum und nun kann ihn jeder sehen und die Frau Doktor kann ihre Sätze hineinschreiben: Deutlich vermindertes Interesse oder Freude bei allen oder beinahe allen Aktivitäten fast den ganzen Tag, beinahe jeden Tag. Sie streift die Wände entlang und liest am Vorbeigehen: Dann fällt man im Blick – es ist das Einfachste zu Fallen. Das Licht kommt von unten, fällt langsam die Wände hoch aber er, er ist zu müde – zu müde für einen Blick die Wände hoch, die Worte usw. zu müde für einen Blick dahinter und er sagt nur: „Du lächelst so selten.“ Wir sitzen hinten im Dunkel auf den Barhocker mit den Füßen in der Luft und ich hasse es, wenn meine Füße in der Luft hängen und Frau Doktor fragt: Warum hassen sie das? Ist doch klar, ist doch klar – ist doch klar, dass ich diesen Zustand nicht ertrage, keinen festen Stand zu haben und Stimmungsstörungen, eine ausgeprägte Periode ständig gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung.Wir sitzen hinten im Dunklen der Barhocker und drehen Zigaretten – Zigarettenrest liest er und das Zerschlagen zweier Seelen. „Sind wir das?“ fragt er. Wahrscheinlich, denke ich, denn es ist immer und immer das gleiche. ABER NIEMALS AUSREICHEND SCHÖN. Ich. Aber niemals genug und immer zu viel. Immer das nette Mädchen, immer ganz nett – du bist wirklich eine tolle Frau, eine liebenswerte Frau, eine Frau, in die man sich sofort verlieben könnte – ABER ICH BIN NICHT VERLIEBT IN DICH. „Was ist deine Intention?“ will er wissen? Sind wir das? Sind wir diese Menschen, die nie zusammenfinden? Sind wir diese Menschen aus deinen Geschichten? Sind wie diese: Immer etwas weit Entferntes bleiben. Leerer Innenhof. Nur Innerlichkeit und Festung. Liegt es an mir, willst du wissen. Liegt es an mir, oder an mir, oder an mir oder an mir. Und er streicht mir die Haare aus dem Gesicht, wie als wäre es Liebe. Und er streicht mir die Haare aus dem Gesicht und sagt, ich würde mich verstecken. Ich. Ich. Ich – aber ich stehe doch im Licht – im Scheinwerferlicht mit Erzählstimme und Begleitmusik. Ich. Kleine Wände und ihre langsamen Sollbruchstellen. Du schaust zu mir rüber, du streichst mir die Haare aus dem Gesicht – Ja, das war die Bewegung – der Blick fällt – aber ich will nicht. Ich will es nicht wissen. Ich will es nicht hören. Ich will nicht wissen, was für ein toller Mensch ich bin. Du – du ist dieses Gefäß, welches Welt in Worte auflöst – nahe Worte, ferne Worte – mit Scheinwerfer und Begleitung. Ein Mal alles von Innen nach Außen stülpen – aber es gibt dann keinen Weg zurück und wir verkümmern – wir verkümmern, wenn mich keiner aus dem Licht abholt, verkümmere ich. Kümmre dich um mich, statt mir die Stirn zu küssen, als wäre es Liebe.

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