Foto: Luca Maximilian Kunze
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0520

Als keiner guckte, roch sie kurz. Deo.

 

Sanna blieb sitzen und ließ die Beine aus der offenen Autotür hängen. Die Musik ging aus und hinterließ laute Stille. Dunkelheit und kein Auto in Sicht. Stinkender Dünger auf den Feldern. Feuchte Ringe unter ihren Armen. Als keiner guckte, roch sie kurz. Deo. Äxl stand auf der Motorhaube, die Arme hochgestreckt. Die Schraubenzieher in seiner Hosentasche zogen, brachten den oberen Rand zweier fetter, weißer Arschbacken zum Vorschein. Er riss an der oberen Metallkante und stemmte sich gegen die Schrauben. Das Auto wippte. Sanna blickte sich nervös um, schaute Tim an, der vor seinem Motorrad kniete und stolz über den schwarz-glänzenden Lack strich. Wenn ihre Eltern sie jetzt sehen würden, dachte Sanna und schob einen knackenden Kieselwall zwischen ihren staubigen Schuhen zusammen. Ihr rechter Sneaker schluckte einen der spitzen Steine.

 

Es krachte und zu zweit hoben Äxl und Sammy das rotweiße Schild in den Kofferraum. „Wird ne schöne Tischplatte“, sagte Äxl stolz und setzte sich zufrieden zurück auf seinen Platz. Tim stieg auf, ließ das Standgas heulen und raste mit quietschenden Reifen davon.

 

Verlassen Höfe im Dunkel des Straßenrandes, weitgestreute Laternen wie abgebrannte Streichhölzer. Tim war nicht mehr zu sehen. „Wegen der Bullen: Ihr müsst immer auf Sirenen hören“, hatte er ihnen gesagt. Zwischen den Weiden tauchte Unbrauchbares auf: Einfahrt verboten, Landwirtschaftlicher Verkehr frei, Reitweg. Am Waldrand hielt Sammy am nächsten Schild. „Bingo“, sagte er „aber wo ist der Penner?“ und sah sich nach Tims Motorrad um. Äxl und Sammy rissen an der großen, rot-weißen Scheibe mit der schwarzen Siebzig, bis die oberste Schraube locker war und das Schild zur Seite kippte. Sanna war wieder im Auto geblieben. Sie trank Bier, das ihr nicht schmeckte, aber der Schwindel im Kopf wurde so stark, dass es begann, sie zu beruhigen. Ihre Zähne fühlten sich an, als würden sie einen Zentimeter auseinanderstehen. Sie blickte auf das Grün ihres Handy-Displays. 20.31 Uhr. Keine Nachricht. Sie klappte die Sonnenblende runter, sah in den schwarzen Spiegel. Sah nichts. Tastete nach ihren Augen. Wischte einfach mal. Wischte um ihren Mund. Fuhr sich durch die Haare, als könne sie sich sehen. Fischte ihren Labello aus der Tasche. Mit Glanz. Trug ihn schnell auf und tupfte Übermaltes, das vielleicht da war, von ihren Lippen. Aus dem Dunkel rauchten Motorengeräusche. Flackernde Scheinwerfer zwischen den Bäumen. Äxl sprang vom Auto und stürzte zusammen mit Sammy auf die Sitze. Sie schmissen die Türen zu, ehe sie saßen und machten das Licht aus. Sanna kroch tief in den Sitz und Tim hielt mit rutschenden Reifen vor der Motorhaube, stierte zu dem abgerissenen Schild, das seitlich herabhing und grinste durch die Windschutzscheibe, eine Flasche Wodka durch seine halboffene Motorradjacke blitzend. Äxl sprang raus. „Wichser, man. Ich dachte, du bist die Bullen“, schrie er, zog die Flasche aus Tims Lederjacke und trank einen großen Schluck. Sammy auch. Erst Wodka, dann das Schild. Der nackte Metallpfeiler schwenkte hin und her. Äxl schepperte die Siebzig auf das große Stoppschild im Kofferraum, rieb sich zufrieden die Hände. Tim ließ seinen Motor laufen, trank, sah sie nicht an und fuhr davon.

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