Foto: Luca Maximilian Kunze
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Es zerkochte mich, wie die schwammige Linsensuppe in den Hagener Kiosks

 

Hier gab es mehr als Schwarz und Weiß und Grau, sondern nur mich, stolpernd im Farbkasten und wie immer war die Tube mit dem Deckweiß alle, aber ich wollte auch nichts verdecken, sondern alles lupenrein sehen und es gab den alten, bernsteingefliesten Ofen und die Kiste voll Zecken-Zeitungen meiner verreisten Mitbewohnerin, die ich den Winter über verfeuerte und es stank in der Ochsenblutbude nach Staub und früher und Zeitzähnen und Glaswolle und Gras und modrigen Rohren und Dreadlocks und dazwischen nach meinen Glückshormonen und gegenüber duftete es nach Mediaspree und Studios und Kokoswasser und Ellenbogen und Gesichtern mit Hauschka-Häuten, nach Plattenverträgen und Chrome-Rädern mit bunten Felgen und nach warmgekreppten Haaren. Und irgendwann sagte ich Kreuzkölln, weil das alle hier sagten und die Häuser streckten ihre blechblauen Dachterrassen wie frisch ausgegrabene Schatztruhen in den Himmel und zwischen Klunkerkranich, Griessmühle, Möhrchenpark, Würgeengel und Katerholzig roch es nach schwimmender Hoffnung, vollgesogen mit Gin Tonic und Bier und Sommer und irgendwann nicht mehr nach Hoffnung, dann, als ich meinen Praktikantenschreibtisch weitergeben musste und James Mielke, der mich auf der Höhe des weiten Sommerdachs vom Nachbarhaus ein paar Mal geküsst hatte, nicht mehr anrief und ich einfach nicht mehr rausgehen konnte vor Angst. Und es zerkochte mich, wie die schwammige Linsensuppe in den Hagener Kiosks und die Angst wuchs und mit ihr die Stadt. Und die langen Straßen mit ihren Häusern schoben mich vor, zurück, zerkauten mich wie ein altes Kaugummi zwischen bissigen, asphaltierten Altbau-Zahnreihen.

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