Flüssiges Obst
Die Wohnung von Veas Eltern ist klein. Deckenhohe Palmen ohne Übertöpfe verdrängen das Licht im Wohnzimmer. Ihre langen Wurzeln fliehen vor der modrigen Erde durch die Löcher aus den Böden der Töpfe und liegen wie leblose, brüchige Finger auf den Fliesen. An den Wänden tauchen Flecken auf. Daneben gebatikte Tücher mit blauweißen Schlieren, die an langgezogene Strandtümpel bei Ebbe erinnern. Die Lichtschalter sind schmale Knöpfe. Sie leuchten im Dunkeln und stecken inmitten von nackten Kabeln und Drähten. In der Küche klettert eine Pflanze durch einen Riss im Putz und verteilt ihre blättrigen Arme über die spuckefarbenen Küchenschränke, die der Vormieter zurückgelassen hat. Beugt sich Veas Mutter über die Spüle, trennt sich ein Schwarm Obstfliegen. Manche von ihnen kommen zurück, andere landen auf der erkalteten Kaffeemaschine voll dunkler Fingerabdrücke, die Veas Vater hinterlässt, bevor er in den frühen Morgen verschwindet. An einem gesprungenen Lampenschirm hängen zwei Klebestreifen voll toter Fliegen. Es riecht nach flüssig gewordenem Obst. Getrockneter Regen sorgt für milchige Aussicht in einen moosbewachsenen Vorgarten, in dem sich ein Grill zwischen zwei Stühle quetscht. Daneben verteilt eine hüfthohe Büchse voll Regenwasser den Geruch von verschimmelten Blättern. Zur Straße hin endet die schattige Erdecke an einer Mauer. Unter Veas Eltern wohnt eine alte Frau. Wenn die Bässe den Boden zucken lassen, schrillt die Türklingel.
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