Foto: Luca Maximilian Kunze
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0211

quartett #3

a moll
ulrich lächelt weder hinüber zu lena noch zu sophia, er ist versunken im violinkonzert, das aus seinem mp3-player ertönt und in der erinnerung an letzte nacht, die ihm genauso irreal erscheint wie peter sein traum. den platz neben ihm nimmt eine gratiszeitung ein – ulrich nimmt sie nicht an sich, er gehört wohl einer minderheit an, denn er kann sich zu jenen zählen, die noch nie solch ein blatt in der hand gehabt haben. er war heute morgen früh aufgestanden, die frau neben ihm schlief noch eine gute stunde weiter. zum zeitunglesen hatte er trotzdem keine ruhe gefunden. die heutige ausgabe des standard muss bis zum abend warten. er fragt sich, wohin der vormittag verschwunden ist. auf dem weg zum postamt und zur bank fror ihn, trotz der lauen temperatur. wie so oft in letzter zeit stimmte ihn der weg aus der wohnung depressiv. vorbei an kinderspielplatz und hundezone, beide zu klein, vorbei am kürzesten grüngürtel der stadt, eigentlich nur ein grünfleck neben der auffahrt zur autobahn. dann die erinnerung daran, was der tag ihm bringen würde. er versucht, in gedanken bei der frau zu bleiben und nicht weiterzuschweifen zu seinem arbeitsplatz, wo er in einer halben stunde den spätdienst antreten wird. der chef nervt, die eine kollegin nervt, selbst die klienten und klientinnen nerven ihn seit tagen. vielleicht sollte er in zeitausgleich gehen oder in krankenstand? der halb schlafende neben ihm nimmt die musik, von der einzelne töne aus den luftritzen zwischen kopfhörern und ohrmuscheln in den raum dringen, höchstens unbewusst wahr. es ist eine unübliche zeit, um zu schlafen. er fährt von der frühschicht nach hause, die heute besonders anstrengend war. seine hände schmerzen. die straßenbahn fährt am zentralfriedhof vorbei. er muss zur endstation, das heißt, das kollektive aussteigen wird ihn wecken, ehe er noch seine station verschläft. ihm gegenüber sitzt der mann mit anzug und krawatte. für diese gegend sind sakkos und weiße hemden unüblich, krawatten sowieso. ulrich fragt sich, was jemand wie der in dieser gegend macht. vielleicht ist er immobilienmakler? oder er fährt zu einem vorstellungsgespräch? kehrt heim von einer arbeit, die seriöse kleidung verlangt, aber kein gehalt einbringt, das ihm ermöglichen würde, sich eine wohnung in einer schöneren umgebung als dieser anzumieten? oder er kommt von einer sponsion? von einer hochzeit? der mann heißt jonas und wundert sich, dass jemand wie ulrich klassische musik hört.

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