Foto: Luca Maximilian Kunze
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plan a

michaela ist dreizehn, genauso wie jessica und monika. nina ist vorgestern 14 geworden. die vier sitzen in ebenjener reihenfolge von links nach rechts in der letzten reihe an der fensterseite der 3A-klasse. die meisten unterrichtenden mögen die letzten reihen nicht: es entspricht ihrem erfahrungswert, dass dort die aufmüpfigen schüler und schülerinnen sitzen, die aus den so genannten schlechten verhältnissen morgen für morgen in die schule kommen und diese (ob aus böser absicht oder alternativlosigkeit sei dahingestellt, zumal es im arbeitsalltag kaum einen unterschied macht) in das klassenzimmer hineintragen wie den dreck an ihren schuhen. an die hausschuhpflicht halten sich hier höchstens die aus der ersten, die streberinnen und streber. wieso denn auch, wenn der ganze lehrkörper mit seinen vielen füßen ungestraft in straßentretern durchs schulgebäude stolziert? (die realschule ist eines der hässlichsten bauwerke der stadt. michaela sagt manchmal, dass sie sich darüber wundert, dass es den tauben nicht zu schiach ist um sich auf dessen fensterbretter und dachvorsprünge zu hocken und selbst zum hinscheißen gebe es bessere orte …) einzig der schulwart trägt schlapfen. die passen zu ihm wie der schnauzbart und der freundliche polnische akzent.

außer der flimmerkiste und dem computer brauchen die vier musik, um die langeweile der nachmittage umzubringen. jessica und nina hören genauso, wie sie sich mit der fernbedienung in der hand durch die kanäle zappen: sie spielen einen song kurz an, nach einigen takten fällt ihnen ein anderer ein, den sie sofort anklicken, um nach einer halben oder einer ganzen minute erneut einen anderen rhythmus, eine andere melodie zu wählen. es ist schön, so viel wahl und so viel auswahl zu besitzen. michaela und monika haben sich die gegenteilige gewohnheit zueigen gemacht: sie hören die lieder in dauerschleife. die dreieinhalb minuten von playground love sind beim ersten mal, beim zweiten und beim dritten mal genau die gleichen: monika gnotzt beinahe regungslos auf ihrem sitzsack, air in den immergleichen hebungen und senkungen, die gleichen kopfbewegungen an den ewig gleichen stellen, selbst die emotionen machen dreimal die gleichen moves mit. du bist maßlos, sagt monikas mutter zu ihr. dauernd musik hören, fressen und irgendeinen blödsinn konsumieren. sie versteht nicht, warum eine dreizehnjährige dauernd bücher haben will, einen mp3-player und sogar einen push-up-bh. aber mama, den haben doch alle!, sagt monika. das stimmt aber nicht: michaela sagt immer, wenn den buben ihr busen zu klein sei, zwinge sie ja niemand zum hischauen. den kampf um taschengelderhöhungen und extrageld für besondere wünsche kennen auch nina und michaela. einzig jessicas mutter gibt immer geld her, sobald ihre tochter um welches kommt.

und alle vier haben sie pläne, was sie mit ihrem leben anstellen werden, wenn sie erst die fünf jahre pflichtschule hinter sich gebracht haben. michaela und nina wollen unbedingt maturieren, obwohl nina, die schon einmal durchgefallen ist, sehr schlechte karten hat. michaela hat eltern, die ständig sagen, dass sie das nie schaffen werde. aber sie hält an ihrem traum fest: nach acht jahren abschließen und dann irgendeine gute ausbildung machen, im schlimmsten fall auf kredit – und nachher genug geld verdienen, um es allen zeigen zu können, dass sie erfolgreich von der eselsbank auf die karriereleiter geklettert ist. dann könnte sie auch im alltag markenklamotten tragen und hätte eine schöne wohnung mit pool, um die sie alle anderen klammheimlich, aber doch merkbar beneiden. jessica will keine karriere machen, aber es auf die krankenpflegeschule schaffen – danach krankenschwester werden oder auch hausfrau mit einem oder zwei kindern und einem netten mann, aber ganz sicher keine alkoholikerin wie ihre mutter, die nachts das versteckte bier aus der gemüselade holt. monika hat ganz andere pläne, die sie aber nicht so gern herausposaunt wie die  anderen. im scherz sagt sie manchmal auf die frage, wie sie sich die zukunft vorstelle, sie möchte reich heiraten und erben – im ernst will sie eine lehre machen: friseurin, das wäre doch ein schöner beruf!

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