Foto: Luca Maximilian Kunze
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Der Wolf

Vera ist Russin, oder jedenfalls spricht sie russisch, oder zumindest kennt sie ein paar russische Sprichworte. Die Arbeit ist kein Wolf, sie läuft nicht in den Wald davon, sagt sie zum Beispiel oft, und schiebt dann weit von sich, was auch immer sie vor sich hat: ein Buch, eine Staffelei, ein Glas Sekt, einen Menschen. Die Arbeit ist kein Wolf, das heißt in etwa: Morgen ist auch noch ein Tag. Für Vera ist immer noch ein Tag. Ihre Faulheit ist lasziv. Sie kann sich tagelang irgendwo ausbreiten und liegen bleiben wie ein Teppich. Ich glaube, Vera hält sich für unsterblich.
Meine Arbeit ist aber ein Wolf, sage ich, sie frisst mich.
Was arbeitest du denn?, fragt die faule, über eine Parkbank gebreitete Vera.
Ich schreibe Bücher, antworte ich.
Ich habe dich noch nie ein Buch schreiben sehen, sagt Vera.
Eben, sage ich, weil sie mich immer fressen, bevor ich sie schreiben kann.
Vera zuckt mit den Schultern, die erste Bewegung seit Stunden. Dann muss ich ihr versprechen, ein Buch über sie zu schreiben, falls es mich nicht vorher frisst.

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