Foto: Luca Maximilian Kunze
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Ein Stich ist bald geschehen in einen nackenden Menschen

Nähe bedeutet bei Weitem kein Vernähen von zwei Menschen, kein Zusammennähen von verschiedenen Stoffen, kein Verstricken in Eifersucht und Besitz und Brauchtum, sondern ein stoffliches Getrennt-Sein, um ein wärmendes Kleidungsstück zu ergeben. Nähe braucht eine klare Naht zwischen zwei oder mehreren Liebenden, bloß so kann sie erfüllen und das sollte sie auch, denn das ist ihr Zweck. Und dieser Zweck heiligt alle Mittel, beweihräuchert alle Wege, die zu Zärtlichkeit und Körperlichkeit führen, äschert Verstand und Sorge ein. Professionelle Herzlichkeit braucht es und einzwei Herzen am gerechten Fleck, allzeit bereit Heißes zu werfen, Ofenkartoffeln und Orangenpunsch. Des einen warme Nähe ist des anderen Anzeige und deshalb braucht es zu Zeiten den Abstand, den weder Kett- noch Schussfäden von seinem Schaffen abhalten dürfen. Strickt man sie doch in das Gewebe zweier sich haltender Hände, reißen Narben in den Gestus ein, narben Risse auf Fingern und ihren Nägeln.
Nähe darf kein Verzetteln sein, kein Wir, sondern ein Ich und ein Du, ein Dich und ein Mich, gedruckt auf chlorfrei gebleichtem angsterstarrtem Papier, vielleicht sogar mit Prägedruck versehen. Nähe darf kein Gedicht sein, darin erstickt sie, wie die Liebe grundsätzlich. Sie muss Prosa sein, muss sich in Sprichwörter einschreiben, in allgemeines Sprachgut, das man um sich selbst herum verfälscht, um es wieder wirklich zu machen. Ein Stich ist bald geschehen in einen nackenden Menschen. Pappnase und Stofftiger wissen weshalb und wozu. Und auch abfolgendes Folgendes: Nähe ist eine Kunst, weil sie im tiefen kühlen Grunde wie die Kunst ist. Ein Hin und ein Her-Gerissen-Sein ohne einzureißen dabei. Ein Zugleich von Befreiendem und Einengendem. Ein Fremd-Sein als Ganzes, entspannend Spannendes. Gezogenes und Näherungsschalterhaftes. Nahrung.

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