Foto: Luca Maximilian Kunze
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19.11.2014
Während ich darüber nachdenke, wie ich die nächsten Monate als Deutschlehrerin unterrichten werde in der Schule, an der Juri als Musiklehrer arbeitet, sehe ich Bilder von Jan vor mir. Wie er seine Schuhe zubindet, wie ihm die Münzen runterfallen, wenn er betrunken zu zahlen versucht, seine grossen Augen und der warme Blick, wenn er lacht. Es sind keine Bilder der grossen Momente, sondern Kleinigkeiten. Nicht der Herbstabend, als wir über den Zaun in ein Freibad kletterten, auf dem Sprungturm einen Joint rauchten und anschliessend im leeren Schwimmbecken miteinander schliefen. Auch nicht die Woche in Frankreich, als Jan in Marseille einen allergischen Schock von den Meeresfrüchten bekam, so dass wir die ganze Nacht in einem Krankenhaus verbrachten und ich mich in den Arzt mit charmantem Akzent verliebte, während Jan mit aufgeschwollenem Gesicht im Bett lag.

Schräg gegenüber sitzen zwei schwäbische Paare. Es wird Toastbrot mit Wurstaufschnitt gegessen. Die eine Frau stellt sich vor. »Das ist der Rainer« sagt sie und streicht ihrem Mann über die Wange »Und ich bin die Helga.« Eigenartige Menschen, die vor ihre Namen einen Artikel setzen.
Helga erzählt, dass sie zur Hochzeit ihrer Tochter fahren, sie hätte nun endlich einen Mann gefunden, es habe schon niemand mehr daran geglaubt. Die Männer, offensichtlich kommen sie aus der gleichen Provinz Süddeutschlands, debattieren wie zwei untersetzte Politiker über neu gebaute Kreisel, die man nicht brauche und Landstrassen, die eine öde Autobahnfahrt angenehmer machen, aber das würden nur wenige Menschen wissen.
Ein aknegeplagter Junge in Trainerhosen steht plötzlich auf und macht die heiter schnatternden Rentner höflich darauf aufmerksam, dass dies ein Ruheabteil sei. Die Frauen kichern wie Schulmädchen, die beim Naschen erwischt werden.
Ich lehne mich zurück. Vor dem Fenster karge Landschaft. Kurz denke ich noch einmal an Jan, ob ich mich vielleicht ungesund auf einen Menschen fixieren könnte.
Wenn Jan will, kann er sich gut und richtig anfühlen. Er ist der Einzige den ich kenne, der so viele Auftritte und Abgänge in meinem Leben inszeniert.

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