Foto: Luca Maximilian Kunze
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15.11.2014
Ich schaue in erweiterte Pupillen und erzähle vom plötzlichen Wetterumbruch draussen. Erstaunt reisst die unbekannte Asiatin ihre schwarzen Augen auf, als würde sie nicht gut sehen, und fragt mich nach Tag und Uhrzeit.
»Sonntag, später Nachmittag.«
Sie umarmt mich und sagt, ich sei schön.
Ich bin nüchtern und bestelle Wodka an der Bar. Der Barkeeper fragt, ob ich mir das Rückgeld selber nehmen kann, da er schon zu viel gezogen habe. Er umarmt mich und sagt, ich sei schön.
Ich stehe an der Wand, ein Bein lässig angewinkelt. Dem Typen neben mir fällt sein iPhone auf den Boden. Er ärgert sich, dass die sorgfältig vorbereiteten weissen Linien darauf verloren sind. Ich überlege kurz, ihn zu umarmen und zu sagen, er sei schön.
Die Musik ist hart und elektronisch, ich spüre den Bass im Magen. Vor mir tanzen junge Frauen. Mädchentattoos zieren ihre Streichholzarme. Sternchen hier, Herzchen da. Für jeden Lebensabschnitt ein Motiv aus dem Katalog. Zurück an der Bar treffe ich das selbsternannte  Stadtoriginal.
»Ey, Paula, was machst du hier? Ich war gerade in New York. Great city, ja, unheimlich nice people. Relaxed, genau, das ist das Wort. Aber hör mal, ich muss weiter, viele Freunde sind hier, du weisst ja, wie das ist. Totaler Sozialstress, wenn man zurückkommt.«
»Wird dir nicht schwindelig, wenn sich immer alles um dich dreht?« frage ich und lächle. Er macht ein Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Nein, ehrlich gesagt weiss ich nicht, wie das ist, dieser Sozialstress, weil ich keinen der Feierfreudigen in dieser runtergekommenen Industriehalle zu meinen Freunden zähle.
Ich  trinke und tanze, werfe mein Haar in den Nacken und fühle mich leicht dabei. Etwas in mir sehnt sich nach echten Begegnungen. Nicht nach Gesprächen, in denen wir uns gegenseitig mit unseren Leben langweilen, weil wir das Gefühl haben, dass immer was Besonderes dran sei, am eigenen Leben und dabei in Filmzitaten sprechen und denken, dem Gegenüber falle es nicht auf.

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