Foto: Luca Maximilian Kunze
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zweiundzwanzig. der Hoden.

Tag 170 von 183.

 

Mein Arm schmerzt schon seit mehr als einer Woche elendiglich. Die Schwellung des Gewebes ist mittlerweile zurückgegangen, doch der eigentliche Herd der Infektion ist immer noch da. Es ist ein hochempfindlicher Gupf in der Größe eines Hodens. Meine schrecklichsten Vermutungen gehen in Richtung Eiterkammer. Ekelhafte Vorstellung. Auf meine angsterfüllte Frage, ob man, wenn es nun solch eine Kammer sei, mit einer dicken Nadel hineinstechen und das darin Befindliche ausdrücken werde müssen, hieß es, hochdosierte Breitband-Antibiotika würden es schon erledigen. Meine Hoffnung, dass das noch passieren wird, schwindet von Tag zu Tag. Das Ding, was auch immer es ist, schmerzt wie ein Hornissenbiss aus der Hölle. Ich denke ernsthaft darüber nach, mir eigenmächtig eine dicke Nadel in den Eiterhoden zu stechen, aber ich habe Angst vor dem Schmerz und einem Fehler. Ich wünschte, es wäre jemand da, der bei dem hirnrissigen Manöver eine beruhigende Hand auf meinen Rücken legen würde. Jemand, der mir kommentarlos, einfach nur durch seine Anwesenheit beisteht. Jemand, der nicht an mir zweifelt und mir ein Bisschen meines Selbstzweifels abnimmt. Dann würde ich meine innere Stärke besser spüren, mein Urvertrauen, alles schaffen zu können, alles richtig und nichts falsch zu machen. Gerade davon ist im Moment so wenig da. 

 

Ich wünschte, das Ding würde einfach aufplatzen. Damit könnte ich am Besten umgehen. Ich bin es gewohnt, ständig zu bersten und die Risse meiner Fassade zu reparieren. Schlimm wäre es, wenn ich es jemand anderen machen lassen müsste. Ein Eingriff von außen, ein Angriff, eine Verletzung meiner Sphäre mit einem scharfen Gegenstand, unter sterilen Bedingungen. Dann doch lieber selbst zustechen, wenn nötig auch ohne beruhigende Hand auf dem Rücken.

 

(aus '183 Tage')

 

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